Keiner verhandelte so schlecht, wie ich

Heute glaube ich, ein erfolgreicher Verhandlungsführer und ein gefragter Verhandlungstrainer und Coach zu sein; das war aber nicht immer so. Als selbständiger Unternehmer hatte ich viel zu viele Niederlagen erlitten, die mir nicht nur sehr viel Geld kosteten, sondern desaströs waren für mein Selbstbewusstsein. Rückblickend: mein Verhandlungsgeschick war nahezu nicht existent.

Meine persönliche Wende kam als ich eines heißen Sommertages eine alte, vergilbte Kopie des Buches „Getting to Yes“ („Das Harvard-Konzept“) bei einem Gebrauchtbuchhändler in Hollywood erstand. Die damals investierten $4,95 für ein mit Kaffeeflecken und Eselsohren malträtierten Buchs sollten sich bald tausendfach bezahlt machen.

Mir wurde beim Lesen schnell klar, dass ich an zwei Dingen arbeiten musste. Sowohl meine inneren Haltung, als auch an meine Fragetechnik waren Baustellen, die dringende Nacharbeit bedurften. Meine Lektüre öffnete mir zuerst einen schmalen Spalt der Erkenntnis, dann eine aufgestoßene Tür, woraus dann bald ein persönlicher Durchbruch wurde.

Schlüssel Nr. 1 – Meine innere Haltung ist entscheidend!

„Ich bin OK; Du bist OK.“ Meine Besinnung auf meine inneren Ressourcen und mein Selbstwert lies mich in Verhandlungs- und Konfliktsituationen zunehmend balanciert und souverän wirken. Es gelang mir, zunehmend entspannt und gedanklich aufgeräumt auf meinem Gesprächspartner zu- und einzugehen.

Meine Selbstannahme (ich bin OK) führte mich zu einer zunehmend wertschätzenden Haltung gegenüber meinen Verhandlungspartnern (Du bist OK). Mir wurde zunehmend klar, dass ich viel mehr erreiche, wenn ich meinen Verhandlungspartner als genau das betrachte, nämlich als Partner, und nicht Gegner.

Meine Beziehungsbrücke zum Gegenüber, nämlich aus Wertschätzung, Respekt und Menschlichkeit gebaut, sorgte in Verhandlungen für zunehmend konstruktive Begegnungen in der gute Ideen, Handlungsoptionen und schließlich Lösungsansätze freieren Lauf hatten.  

Ich stellte fest, dass meine innere Haltung häufig auf meinen Partnern übersprang. Zusammen entdeckten wir, dass uns viel häufiger die sprichwörtlichen Win-Win-Lösungen gelangen wenn wir zwar jeweils auf eigene Belange bedacht waren, aber gleichzeitig auch auf die des Gegenübers. Mir gelang dies immer dann, wenn ich mich einer „ich bin OK, Du bist OK“ Haltung besann.

Meine Erfahrung mit Wertschätzung führte mich zu einer Beobachtung, die sich häufig bewahrheitete: Verhandlungskontrahenten, die mit Skepsis und mit ungebührlichen Druck agierten, entlarvten sich selbst im Verlaufe häufig als schwache Verhandlungspartner. Vermeintliche Stärke, markiert durch Machtgehabe und Manipulation, erlebte ich dann als Indiz für Unsicherheit und Schwäche.

Schlüssel Nr. 2 – Auf die richtige Fragetechnik kommt es an!

Auf meiner Entdeckungsreise vom unzulänglichen zum beflissenen Verhandlungsführer entdeckte ich, wie wichtig es für mich ist, wenn ich die Belange des Gegenübers verstanden habe, jenseits der von ihm gestellten Forderungen. Mein Zugang zu diesem Verständnis des Gegenübers erreichte ich durch eine Fragentriade. Diese Fragen zu stellen, war für mich anfangs beängstigend, da ich negative Reaktionen erwartete. Andererseits erlebte ich dann, wie wertvoll sie für mein Verständnis waren.

Heute sind mir diese Fragen in Fleisch und Blut übergegangen. Im Laufe des Gesprächs flechte ich jetzt die folgenden Fragen ein, die mein Verständnis für die Wünsche, Bedürfnisse, Prioritäten und Handlungsmotive des anderen erhellen.

Diagnostische Fragen

  • Was ist Ihnen in Bezug auf die Neugestaltung der Büroetage wichtig?
  • Worauf kommt es Ihnen in Bezug auf die Neugestaltung der Büroetage besonders an?
  • Bezogen auf die Neugestaltung der Büroetage, welche sind Ihre wichtigsten Kriterien?

Präzisierende Fragen (als Reaktion auf Antworten zu den diagnostischen Fragen)

  • Wenn Sie „gute Schallisolierung“ sagen, was meinen Sie genau damit?
  • Was verstehen Sie konkret darunter, wenn Sie sagen, dass „gute Schallisolierung“ besonders wichtig ist?

Motivfrage (falls dieser Aspekt nicht schon in der vorigen Antwort mit aufgedeckt wurde)

  • Das ist ein sehr interessanter Aspekt, der häufig aus den verschiedensten Gründen erwähnt wird. Warum genau sind Ihnen Ruhezonen im Großraumbüro so wichtig?
  • Das ist ein sehr häufig erwähnter Aspekt. Mich würde interessieren, warum Ruhehzonen im Großraumbüro für Sie so wichtig sind?

Diese drei Fragearten sind für mich zu meinem ständigen Begleiter geworden, ohne die ich kein umfassendes Bild der Bedürfnisse meines Verhandlungspartners gewinne.

An einem heißen, drückenden Sommertag in Hollywood fand ich in einem heruntergekommen und staubigen Buchladen zwei Schlüssel zu meinem späteren Verhandlungserfolg: meine innere Haltung und meine Fragetechnik. Wenige Seiten des Lesens, einiges an Selbstreflektion und –entwicklung, und mein Wirken als Verhandlungsführer nahm eine glückliche Wende.